Wenn ich mal groß bin, werde ich 40

Da liege ich auf dem Rücken und stöhnend in der Sporthalle.

Nach zig Jahren Pause bin ich wieder beim Karatetraining. Mit meiner rechten Hand umfasse ich meinen Fuß am ausgestreckten rechten Bein während die andere Hand gegen meinen Oberschenkel drückt. Es schmerzt. Dabei war ich doch mal so viel gelenkiger. Damals. In meinen Mitt- bis Endzwanzigern. Gefühlt gerade erst vorgestern.

Frauen und ihr Alter. Verliebt in Zuhause: Wenn ich mal gross bin, werde ich 40

Ich bin dieses Jahr 40 geworden. Und auch ich nehme dieses Alter als Anlass um meine eigenen Ziele, Träume und bisher Erreichtes zu hinterfragen: „Habe ich erreicht, was man im Leben erreichen sollte und ist jetzt erst Halbzeit oder habe ich bereits die ersten beiden Lebensdrittel hinter mir?


In den Dreißigern bist du entweder Mama oder Karrierefrau


Meine Dreißiger würde ich nun nicht gerade als vorzeigbare Dekade bezeichnen. Auch für meine Zwanziger stelle ich mich in der Reihe der nennenswerten Erfolge gerne lieber ans Ende.
Wenn ich jetzt tot umfiele, dann würde das in der Menschheitsgeschichte nullkommanix auffallen. Niemand der bei meiner Grabrede Höhepunkte meines Lebens noch enorme Erfolge auflisten könnte. Ich hinterlasse auch keine eigenen Kinder welche der Welt einen dankbaren Dienst leisten oder wenigstens die Alterspyramide korrigieren können.

Während meine Freunde und Bekannte im Umfeld ihre Dreißiger damit verbrachten ihre Kraft ins Mama- (und Papa-) Dasein zu stecken oder die eigene Karriere voranzubringen, habe ich rastlose Zeiten hinter mich gebracht.

Von innen betrachtet sieht das Hamsterrad aus wie eine Karriereleiter 

Nachdem meine damalige Kollegin nach ihrer Elternzeit nicht wieder zurückkehrte, wollte ich die Chance ergreifen und bot mich meinem Chef an. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass sich stillschweigend mein Aufgabenbereich vollständig um den von der Stelle meiner Kollegin erweitern sollte, als ich zudem nebenberuflich ein Fernstudium begann.

Ich scheiterte Jahre später mit meinem Versuch meinen Vollzeitjob sowie ein Fernstudium unter einen Hut zu bringen.

Kinder bekommen ist meinem Broemmel und mir verwehrt. 

Heute sage ich immer, dass die für unser Leben nicht eingeplant sind, weil wir auch so genug Familie haben für die wir da sind. Für meinen Broemmel und mich zählen Währungen wie Liebe, Zusammenhalt, Freundschaft und Fürsorge. Egal welches Familiendrama, wir stehen unserer Familie immer zu Seite und zahlen mit unserer Währung. Manchmal bis zur Aufopferung.

Und wir haben so viel erlebt.
Und immer brav gezahlt.

Egal ob Unfalltod, Pflege bei Schlaganfall, Alkoholabhängigkeit, Hilfe im Alter, Drogenmissbrauch, akute Psychosen, Depressionen, Mobbing, Geschlechtsidentitäten, schwere Krankheiten oder Selbstmord. Oder eine Kombination aus alldem. Familie? Können wir!

„Wenn ich nochmal so alt wäre wie damals und die Erfahrung von heute hätte.“

Die Dinge, die im Leben passieren, kann ich nicht beeinflussen. Einiges im Leben passiert so schnell, mit vielen Eindrücken oder großen Veränderungen. Da bin ich hinterher auch mal atemlos. Manches braucht Zeit um es erst mal richtig zu verdauen. Die Notbremse habe ich spät gezogen. Zu spät. Das weiß ich heute.

Dennoch frage ich mich:
Würde ich das ein oder andere, rückwärts betrachtet wirklich anders machen?

 Das ist mein Leben. Es ist holprig.

In vier Jahrzehnten hat sich viel angesammelt und mich haben nicht nur diese, sondern auch viele andere Dinge definiert. Immer wieder verfing ich mich in Extremen. Entweder versuchte ich es nach oben, an eine imaginäre Spitze zu strampeln, war für andere da oder mühte mich ab nicht auf dem Tiefpunkt anzukommen. Heute versuche ich mich irgendwo in der Mitte aufzuhalten. Es ist wie es ist und es kommt wie es kommt.

Lebensbilanz mit 40 : Bin ich nun endlich erwachsen und alt genug um neue Dinge zu wagen? 

Alt genug. Für was denn eigentlich?

Es gibt Ratgeber, die mir weiß machen wollen, dass ich mit 40 nun endlich Veränderung wagen darf. Sie motivieren mich mal wieder etwas Neues zu lernen. Oder versuchen mir Mut zu machen um den Schritt zu wagen mich von meinem Partner zu trennen. Und überhaupt soll ich mich von Dingen verabschieden und das Leben aufräumen um Platz für Neues zu schaffen.
All das fühle sich ja so gut an.

Darüber habe ich mal nachgedacht und festgestellt: „Ich will das gar nicht.

Älterwerden hat mir in erster Linie eins gebracht:
Die Erkenntnis, dass ich nicht so alt wie damals sein muss, um die Dinge von einst mit der heutigen Erfahrung zu tun. Was spricht denn dagegen das Alte einfach heute wieder zu tun?

Ja, noch einmal.
Aber! (Oder endlich?) : Mit der Erfahrung von heute.

Frauen und ihr Alter. Verliebt in Zuhause, 40 mit Karma: Authentisch ist das neue cool.


Natürlich gibt es Momente, in denen ich mich weiterhin frage „Ist es das wert, sollte ich nicht lieber was anderes machen?

Beispiele dafür gefällig? Habe ich.

Ich frage mich ob sich die Arbeit lohnt, wenn das Finanzamt nach dem Status meiner Liebhaberei fragt und damit meinen Online Shop meint.

Oder, wenn mir nach stundenlangem in den Monitor starren, die Augen schmerzen. Dann bin ich mir unsicher inwiefern es jemanden interessiert ob überhaupt und was ich blogge. (Und als Bonus an dieser Stelle, die Erkenntnis, dass ich ab 40 eine Brille benötige.)

Und natürlich, wenn nach dem Karatetraining mein Körper schmerzt. Dann frage ich mich, weshalb ich damit aufgehört habe. Hätte ich nicht besser, statt dreimal die Woche, wenigstens dreimal im Monat und dafür regelmäßig weitermachen sollen?

Hätte ich. Habe ich aber nicht. So ist das eben.
Der Mensch von damals konnte das nicht.
Dafür kann er es heute. Und macht es ganz einfach.

Was im Leben passiert kann ich nicht beeinflussen.
Aber ich möchte authentisch sein.

Jene Dinge tun, die ich wirklich will und die mir Freude bereiten. Auch wenn ich mich davon nicht mit enormen Erfolgen schmücken kann. Vielleicht etwas oder alles schief geht.
Oder es hinterher weh tut.

Deswegen stehe ich heute, mit meinen zarten zehnunddreißig Jahren, wieder in der Sporthalle und gebe beim Karatetraining mein Bestes. Und egal wie sehr mein Körper jammert, hinterher fühlt es sich dennoch gut an.

22 Kommentare:

  1. Guten Morgen liebe Naddel,
    ich denke gerade daran zurück, welche Gedanken durch mein Gehirn zogen, als ich 40 war!
    Da passt wirklich einiges auch zu mir, allerdings habe ich kurz vorher mein Leben komplett ge-/verändert, lach.

    Und meine Liebe, bleib genauso wie Du bist, 100% authentisch und ehrlich zu Dir und den anderen. Denn genau das ist es was Dich auch mit ausmacht und weshalb ich Dich so mega gerne habe.

    Liebe Grüße
    Bettina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, danke für deinen lieben Kommi. Du gehst mir ja direkt ans Herz. ♥

      Löschen
  2. Liebe Naddel,
    einfach ein toller Beitrag, sehr schön geschrieben!!!!
    es hat mich berührt, bleib so wie du bist
    Ganz liebe Grüße
    Karina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Da freue ich mich, schön dass ich dich erreicht habe.
      Und, ich tue mein Bestes :-)

      Löschen
  3. Liebe Naddel
    auf den Punkt gebracht hast dus.
    Ich finde ü40 toll. Keiner hat das Gefühl, er müsse dir sagen, wie du was zu tun hast. Denn du hast ja schon Lebenserfahrung ;-). Das Einzige was ich mir (immer wieder) vornehme, nicht immer alles zackzack zu machen, sondern mir dafür auch die Zeit zu nehmen...
    Geniess dein Leben, so wie dus willst, probiere aus oder lass es sein.
    Herzliche Grüsse Simone

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das kenne ich -das "zackzack" will ich mir auch immer wieder abgewöhnen.
      ...Wobei ich dann ja genauso "gemütlich" wäre wie mein Broemmel :-P

      Löschen
  4. von Helga:

    Liebe Naddel,

    mich wundert hier gar nichts mehr, die Welt ist so bunt und bietet alles was unser Herz begehrt, da kann man schon manches mal die Übersicht etwas verlieren. Dein Alter verrät es Dir, bist 40, ich 80, doppelt gemoppelt. Wie sagt man so schön, da muß ich jetzt durch. Bist ja nicht alleine, Dein Broemmel stützt Dich schon, wenn es nötig ist.
    Danke auch für Deinen lieben Kommentar, er ist wie schon beim letzten Mal, einfach nur einfühlsam. Damals hab ich ja die Lebkuchen geschickt und Du dachtest die seien vom Kerschtinle. Deinen Kommentar damals hab ich unter Notizen festgehalten, so lese ich ihn noch öfter wieder. Du schriebst mir unter anderem, " die kleine Helga hat so ein großes Herz und ich muß dich jetzt virtuell einmal feste drücken dafür" ......
    "Heute bist du natürlich die große Helga und so wie ich dich kennengelernt habe, trägst du aber noch jede Menge von der kleinen Helga in dir und deswegen bist du mir auch so sympatisch. (:-)"
    So stand es geschrieben.
    Ich danke sehr dafür und bleibe für Dich die Kleine und die große Helga in einer Person❤️

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wahnsinn. Helga! Dass du dir das extra notiert und abgespeichert hast, wusste ich ja gar nicht. Ich bin gleichzeitig überrascht und liebevoll berührt. Von Herzen Danke ♥

      Löschen
  5. Hallo mein Küken,
    na gut, mit 40 bist Du jetzt ein großes Küken.
    Aber nur wer Dich kennt, weiß, dass das Küken eine ganz selbstbewusste, tolle und authentische Frau ist, die genau so richtig ist, wie das Leben sie gemacht hat.
    Egal ob stöhnend in der Sporthalle, darum mache ich meinen Sport zu Hause, da hört mich keiner ;-) oder auch mit Brille, da gewöhnst Du Dich dran, sagt mir jedenfalls jeder...
    Genieße einfach Dein Leben und das muss Dir gefallen, das ist das Wichtigste.
    Drück Dich und freue mich, dass Du wieder mal hier bist,
    Nicole

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hach, meine Liebe, ich drücke dich auch -dein Küken will ich liebend gerne bleiben. :-))
      Für die Brille muss ich mich übrigens erst noch zum Optiker trauen..

      Löschen
  6. Liebe Naddel,
    da finde ich mich auch an einigen Stellen wieder. Schlußendlich ist 40 auch nur eine Zahl und solange du tust, was dich glücklich macht, bist du es auch oder du bist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Bleib wie du bist. Ich mag dich so nämlich sehr gerne.

    dicken Drücker
    Nicolr

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nicole, ♥-lichen Dank. Dann will ich mal so bleiben und versuche immer den richtigen Weg zu finden :-D

      Löschen
  7. Hallo Naddel,
    auch wenn ich Ü40 schon überschritten habe, kann ich Deine Gedanken ganz gut nachfühlen.
    Diese Gedanken hat man auch wenn man 10mal die Ü40 überschirtten hat ...lach!
    Lohnt sich das, kann ich das noch, bin ich nicht zu alt für dieses und jenes.
    Mit mit meinem GG habe ich mich erst letztens noch unterhalten.....wir so 50 und bald 53 waren in unseren damaligen Kinder- und Jungendaugen ...alte Leute!! Oder? Aber ehrlich, ich fühle mich nicht so - auch wenn hi und da schon mal etwas zwickt und zwackt....lach!

    Dein Post ist klasse geschrieben und ich kann nur sagen, bleib so wie Du bist...so bist du richtig .....denn die anderen gibt es schon.

    In diesem Sinne noch alles Liebe und Gute nachträglich für´s neue Lebensjahrzehnt!

    Von Herzen

    Monika

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Da sagst du aber auch was. Vor einiger Zeit hat meine Praktikantin so was gesagt wie : "in unserem Alter" und meinte damit sich und ihre jungen Gleichaltrigen. Ich hab sofort kapiert, dass ich nicht dazu gehöre. Kleiner Schock. Dann habe ich ihr verboten, sowas wieder zu sagen. Natürlich mit einem zwinkern ;-D
      Ich danke dir herzlich für deinen Kommi, liebe Monika

      Löschen
  8. Guten Morgen Naddel,
    was für ein schöner Beitrag. Ich kenne dich zwar nicht persönlich, aber ich sage nur: bleibe so wie du bist. Auch wenn ich schon um einiges älter bin, fühle ich mich nie zu alt für Neues oder neues Altes.
    Nachträglich noch meine Glückwünsche zum runden Geburtstag.
    Auf in ein neues Lebensjahrzehnt!
    Liebe Grüße
    Tina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich danke dir. Ja, ich fühle mich ähnlich 'unalt' und ich freue mich auf die neue Dekade. :-)

      Löschen
  9. Oh liebe Naddel,
    was für wunderbare Zeilen...
    Wenn jemand authentisch ist, dann bist das auf jeden Fall DU und dafür mag ich dich sehr.
    Kariere, Erfolg, was heißt das schon?
    Mensch sein ist gefragt.
    Man darf sich von Dingen verabschieden und man darf auch Altes bewahren.
    Wir sollten generell das machen, was uns und unseren liebsten Mitmenschen gut tut.
    In diesem Sinne...
    Alles Liebe für dich und Broemmel!
    Herzliche Grüße von
    Heike

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich gebe dir Recht, liebe Heike. Mit Menschen Mensch sein -das gefällt mir sehr.
      Mega Dank für deine lieben Worte!

      Löschen
  10. Hallo liebe Nicole,

    schön wieder von Dir zu lesen und pah, was sind schon 40 Jahre. Jetzt geht das Leben erst richtig los und es macht irre viel Spaß. Im Moment ist meine Mama auf Urlaub (wird Morgen 80 Jahre), meine kleine Schwester mit Freund (beide so Mitte 40) und dann mein Schatz 64 und ich mit meinen fast 57 Jahren und wir alle kommen auf einen gemeinsamen Nenner. Das Leben ist schön und wir machen was daraus, jeder von uns, zusammen und gemeinsam.

    Liebe Grüße
    Burgi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ihr macht es richtig, Burgi - 80 Jahre sind ein guter Grund zu feiern.
      Habt ordentlich Spaß dabei :-)

      Löschen
  11. Liebe Naddel,
    das war ein emotionaler und sehr persönlicher Post von und mit dir!
    Ich habe die Vierzig auch schon überschritten und es zwickt und zwackt auch ohne Sport jetzt doch schon öfters!
    Wer schreibt einem vor,was und wie man etwas im Leben machen sollte?
    Tue das,was dir Spaß macht und das ist der richtige Weg!
    Jeder hat sein Päckchen zu tragen und das ist hier nicht anders.
    Ganz liebe Grüße von
    Kristin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich denke auch: Mit Spaß und Lachen im Leben lässt sich jedes Päckchen etwas einfacher tragen.
      Ganz liebe Grüße zurück

      Löschen